Meanie – Wolf im Schafspelz
Der Ur-Mini ist wieder auferstanden. Der legendäre Brite gebärdet sich allerdings als kompromissloser Sportwagen. Er hört auf den Namen Meanie und besitzt den Schweizer Pass!
Klein und unschuldig steht er da, der Ur-Mini. Als könnte er kein Wässerchen trüben. Dabei handelt es sich um einen klassischen Fall von britischem Understatement: Denn in dem Kleinen pocht ein grosses Herz.
Von wegen Unschuldslamm, der Mini ist ein Wolf im Schafspelz!
Wo sich sonst die Rücksitzbank befindet, verrichtet jetzt ein aufgeladener Zweiliter-Mittelmotor seine Arbeit. 220 PS wuchtet das Aggregat auf die Hinterachse (Drehmoment: 340 Newtonmeter). Damit gelingt der Sprint von null auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden, und die Tachonadel bleibt erst bei 200 km/h hängen. Damit lassen sich ausgewachsene Sportwagen jagen. Das ist ganz schön fies, weshalb der Name nicht von ungefähr kommt: Meanie (mean = fies).
Fünf Exemplare sollen bei der Emil Frey Classics AG gebaut werden. Ein Prototyp rollt bereits auf der Strasse. Ganz legal, strassenzugelassen in Europa und damit auch in der Schweiz. Das ist keineswegs selbstverständlich: Wer die EU-Kleinserien-Typengenehmigung erhalten möchte, muss haushohe Hürden überwinden!
Eckdaten
Antrieb | direkt eingespritzter Reihen-Vier-Zylinder mit Turbolader und zwei Litern Hubraum |
Drehmoment | 340 Nm bei 3700 U/min |
Leistung | 167 kW (220 PS) bei 5800 U/min |
Kraftstoff | Benzin unverbleit |
Verbrauch | Stadt: 8,03 | Land: 5,26 | Total: 6,29 | |
Abgasnorm | Euro 6b |
Getriebe | manuelle 6-Gang-H-Schaltung |
Fahrwerk | vorne Doppelquerlenker-Bauweise mit direkt angesteuertem und einstellbarem Feder-Dämpfer-System; Fahrwerk in Spur, Sturz und Nachlauf einstellbar; hinten Schwingarme mit direkt angesteuertem und einstellbarem Feder-Dämpfer-System; Fahrwerk in Spur und Sturz einstellbar |
Bremsen | vorne Vier-Kolben-Bremssattel aus Aluminium; gelochte und innenbelüftete 260mm-Bremsscheiben; hinten schwimmender Ein-Kolben Bremssattel mit 260mm-Bremsscheiben |
Gewicht | |
Leergewicht | 847 kg (ohne Fahrer) |
Verteilung | Vorderachse 40% / Hinterachse 60% |
Karosserie | British Motor Heritage Mini-Karosserie, verstärkt mit einem speziell entwickelten Rohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl |
Sitzplätze | zwei |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung | 0 – 100 km/h in unter vier Sekunden |
Vmax | 200 km/h (elektronisch begrenzt) |
Über das Projekt
Eine glückliche Fügung
Es klingt wie ein Märchen: Am Anfang stand 2012 die Bachelorarbeit des Maschinenbaustudenten Raffael Heierli an der HSR Rapperswil. Diese lief unter dem etwas sperrigen Titel „Strukturanalyse zur Konstruktion eines Mittelmotor-Sportwagens in Oldtimer-Optik, zulassungsfähig und in kleiner Serie umsetzbar”. Sein Fahrzeug der Wahl war ein Mini in einer Version der späteren 1990er-Jahre mit dicken Radläufen. Die Arbeit überzeugte die Prüfungsexperten und der Zürcher Oberländer erhielt sein Diplom.
Unterstützung vom langjährigen Mini-Importeur
Zweck erfüllt? Ja, wäre da nicht Heierlis Traum gewesen, das nur auf dem Papier existente Auto auch zu bauen. Schon in einem frühen Stadium hatte er den Unternehmer Walter Frey brieflich um Unterstützung angefragt. Dessen Emil Frey Gruppe hatte den Mini über Jahre hinweg importiert, der Patron selbst war auf einem Cooper S Rennen gefahren.
Grosse Hoffnungen machte sich der heute 28-Jährige nicht. Doch schon zwei Tage später lag Freys Antwort auf seinem Schreibtisch. Der Student durfte sein Projekt inklusive Budget präsentieren – und erhielt grünes Licht! Der Zürcher Unternehmer sicherte vertraglich die Übernahme der Materialkosten zu. Raffael Heierli begann zusammen mit seinen Studienkollegen Marc Bernhard und Adrian Spindler die Arbeit.
Der Prototyp entsteht
Ende 2013 nistete sich das kleine Team in einer Hinterhofwerkstatt ein, 17 Wochen und rund tausend Arbeitsstunden später stand der Prototyp in British Racing Green auf den Rädern. Anstelle von Rücksitzbank und Kofferraum waren dem Meanie ein Mittelmotor sowie eine eigens konstruierte Abgasanlage eingepflanzt.
Trotzdem könnte eingefleischten Mini-Fans das Herz bluten, weil für das Projekt ein Oldie dran geglaubt haben könnte. Heierli beruhigt: „Wir haben keinen Mini geopfert, denn die Rohkarosserie wurde von British Motor Heritage (BMH) auf Bestellung hin hergestellt.”
Das 1975 in Witney, Oxfordshire gegründete Unternehmen hatte seinerzeit sämtliche Serienproduktionswerkzeuge erworben, nachdem die Herstellung des Minis zur Jahrtausendwende nach sage und schreibe fünf Millionen dreihundertsiebenundachtzigtausendachthundertzweiundsechzig Exemplaren eingestellt worden war. Daneben werden auch neue Karosserien für Klassiker wie den MG MGB und den Triumph TR6 produziert und in alle Welt exportiert. So kann mancher rostige Scheunenfund wieder flott gemacht und vor dem Schredder gerettet werden.
Optik des Ur-Mini bleibt erhalten
Äusserlich sollte der Meanie sich nicht von einem Ur-Mini unterscheiden. Kühlergrill, Beleuchtung, Stossstange, Aussenspiegel, Scheiben und Scheibenwischer wurden als neu-alte Originalteile angeliefert. Doch unter dem schmucken Blechkleid ist so ziemlich alles neu. Die Teile wurden aus aller Welt bezogen oder eigens konstruiert. Nebst dem durchzugsstarken Turbomotor etwa der Rohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl, der die Heritage-Karosserie trägt, die Vier-Kolben-Bremsanlage aus Aluminium vorne mit gelochten und innenbelüfteten 260-Millimeter-Bremsscheiben, die für eine adäquate Verzögerung sorgen; die zwei Sportschalensitze mit Renngurten; die Kühlanlage sowie die extrem kurze Abgasanlage. Hier gehts zum Datenblatt.
Immer wieder galt es technische Probleme zu lösen: Was tun, damit sich der Motorraum nicht übermässig aufheizt? Wie liess sich der Lärm in der Kabine auf ein erträgliches Mass reduzieren? Beim Prototyp ist noch vieles Flickwerk. Trial and error. “Die Serienmodelle werden perfekt verarbeitet sein”, verspricht Raffael Heierli. „Very British, mit feinem Leder und Alcantara.”
Ohne Rücksitzbank und Kofferraum
17 Wochen und rund tausend Arbeitsstunden später stand der Prototyp fahrbereit auf Rädern. Als Zweisitzer und ohne Kofferraum. Dafür mit einem drehmomentstarken Mittelmotor, der das 847-Kilo-Leichtgewicht in neue sportliche Sphären katapultieren sollte.
Nun musste der Meanie seine Alltagstauglichkeit beweisen. Raffael Heierli stopfte ihn mit Messinstrumenten voll und begann mit einem ausgedehnten Testprogramm. Dafür wurden über 40’000 Kilometer abgespult, einmal um die ganze Welt. Auf Autobahnen und Rennstrecken, über Pässe und im städtischen Stop-and-go. Der Sportwagen bestand alle Prüfungen zur vollsten Zufriedenheit seiner Erbauer. Er erwies sich nicht nur als kleine Rennsemmel, sondern zeigte sich im Alltagsverkehr als durchaus wohlerzogen. Zivilisiert, sicher und sauber. Einer der ersten Testfahrer war Walter Frey; der Ex-Rennfahrer war voll des Lobes über das Fahrverhalten des Meanie.
Zwischenzeitlich ergaben Messungen sogar bis zu 270 PS und 460 Newtonmeter; unerschrockene Rennprofis mit Bleifuss schafften sogar 245 km/h. Das war Heierli dann doch zu viel des Guten. Die Leistung wurde auf 220 PS begrenzt, die Spitzengeschwindigkeit bei 200 km/h elektronisch abgeregelt. Jenseits dieser Marke wäre der sportliche Zwerg wegen des kurzen Radstandes kaum mehr beherrschbar.
Strassenzulassung und Kleinserien-Produktion
Eine behördliche Einzelabnahme oder Sondergenehmigung hätte gereicht, um mit dem Meanie auf öffentlichen Strassen zu fahren. Doch mit jedem Erfolg wächst auch der Ehrgeiz: Es sollte nicht beim Einzelstück bleiben. Der Unternehmer Walter Frey bot Hand für den nächsten Schritt: die Produktion einer limitierten Auflage mit Zulassung als Neuwagen in ganz Europa. Hierfür wurden die Emil Frey Classics AG und die Roos Engineering Ltd. ins Projekt eingebunden; die beiden in Safenwil ansässigen Betriebe sollten als Hersteller firmieren.
Eine Zertifizierung in der Schweiz nach VTS-Norm (Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge) wäre zu teuer und angesichts der weltfremden Vorschriften wohl auch aussichtslos gewesen. Deshalb entschloss man sich, die Strassenzulassung und die Kleinserien-Typengenehmigung in einem EU-Land zu beantragen.
Abbruch-Mini für den Crashtest
Das Unterfangen entpuppte sich als wahre Herkulesaufgabe und zog sich 18 Monate hin. „Ich habe mich durch 17’000 Seiten Reglemente geackert”, erzählt Raffael Heierli. In einer kiloschweren Dokumentation beschrieb er den Meanie bis ins kleinste Detail, ebenso den Herstellungsprozess. Dazu musste eine Vielzahl von Tests absolviert werden. Es galt Abgas-, Lärm- und Sicherheitsvorschriften zu erfüllen. Für den Crashtest wurde ein Abbruch-Mini umgebaut und gegen die Wand gefahren. Auch „exotische” Tests wie etwa zur elektromagnetischen Verträglichkeit und zu den Verdunstungsemissionen waren beizubringen.
„Für einige Bauteile mussten wir neue Lösungen finden”, erklärt Heierli. Aber schliesslich klappte es: Im Herbst 2016 erhielten die stolzen Meanie-Macher sowohl die Strassenzulassung für die EU – und damit automatisch auch für die Schweiz – als auch die Genehmigung für die Produktion einer Kleinserie.
Meanie - Limited edition of five
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