Fahrzeugberichte

Land Rover 86 Serie I – Form folgt Funktion

Eigentlich liest sich die Geschichte des Land Rovers fast wie ein Märchen. Er entstand fast durch Zufall und feiert im Jahr 2023 seinen 75. Geburtstag. Bis 2016 wurde er er zwar stetig modernisiert, aber nicht grundlegend verändert. Und bis dahin entstanden über zwei Millionen Exemplare, mehr als von jedem anderen Rover der Firmengeschichte.

Ganz zufällig kam der Land Rover allerdings nicht zur Welt. Tatsächlich hatte die Firma Rover nach dem Krieg zwar eine fast neue Fabrik in Solihull, aber keine neuen Modelle, die sich in grösseren Zahlen verkaufen und exportieren liessen. Eine Kleinwagen-Konstruktion mit der Bezeichnung M1 erwies sich nicht als die richtige Antwort auf die Nachriegsfragestellungen.

Maurice Wilks, der Chefingenieur, verfügte über einen Bauernhof auf der Insel Anglesey, direkt vor der nördlichen Küste von Wales. Bis zum Meer reichte das über 62 Hektar grosse Gelände. Um auf dem teilweise unwegsamen Land mobil zu bleiben und arbeiten zu können, was Maurice in der Freizeit gerne tat, nutzte er einen vom Militär ausgemusterten Willys Jeep. Sein Bruder, Spencer Wilks, seines Zeichens Managing Director von Rover, soll Maurice eines Tages in den späten Vierzigerjahren gefragt haben, was er denn täte, wenn der Jeep seinen Geist aufgäbe.

Maurce antwortete, das es keine Alternative gäbe und er wohl gezwungen wäre, einen anderen Jeep zu kaufen. Warum nicht bei Rover ein ähnliches Fahrzeug herstellen, für das es sicher einen Markt gäbe, war die offensichtliche Frage am Ende dieser Diskussion. Und so beschlossen die beiden anfangs 1947, genau dies zu tun.

Der Jeep diente als Inspiration, wurde aber nicht einfach kopiert. Schon im Sommer 1947 waren die ersten Prototypen konstruiert. Noch im September 1947 gab der Rover-Verwaltungsrat grünes Signal für eine Serienfertigung.

Zweckdesign

Der schon früh „Land Rover“ genannte Geländewagen sollte auf die herrschenden Materialengpässe Rücksicht nehmen und einfach zu bauen sein. Daher wählte man die Aluminiumlegierung „Birmabright“ als Basiswerkstoff für die Karosserie. Aluminium war leicht zu verarbeiten und brachte im Vergleich zu Stahlblech weniger Gewicht auf die Waage, es war korrosionsbeständig und zudem in grösseren Mengen verfügbar, da die Nachfrage beim Flugzeugbau nachgelassen hatte. Die Karosserie wurde in drei separaten Teilen gefertigt, die unabhängig voneinander montiert werden konnten.

Allzuviel künstlerischer Design-Input war nicht nötig. Man entschied sich vorwiegend für plane Flächen. Der Nutzen stand über der Ästhetik.

Auch beim Chassis suchte man eine kostengünstige Lösung. Man beschloss Stahlstreifen zu kastenförmigen Bauelementen zusammenzuschweissen und diese in einem Leiterrahmen anzuordnen. Das Ergebnis war ein verwindungssteifes Fahrgestell. Für die Aufhängungen entscheid man sich für robuste Starrachsen mit Halbelliptik-Federn. Gebremst wurde hydraulisch mit Trommeln, gesteuert mit einer Burrman-Douglas-Lenkung. Die mechanische Handbremse wirkte auf die hintere Kardanwelle.

Als Motor wählte man den vorhandenen Vierzylinder aus dem Rover P3. Aus 1593 cm3 entwickelte der mit seitlicher Nockenwelle versehene Motor 50 PS bei 4000 Umdrehungen.

Das Viergangetriebe stammte ebenfalls aus dem P3, wurde aber kürzer übersetzt und mit einem Zusatzgetriebe für den Geländeeinsatz ergänzt. Alle vier Räder waren angetrieben, der Frontantrieb per Freilaufkupplung ausschaltbar. Zudem gab es die Möglichkeit, die Kraft des Motors in Form eines Stationärantriebs zu nutzen und darüber beispielsweise eine Säge anzutreiben.

Vorstellung in Amsterdam

Bereits seit Herbst 1947 wurde der Land Rover einer intensiven Erprobung unterzogen, 48 Vorserien-Fahrzeuge entstanden. Am 30. April 1948 wurde der Geländewagen dann auf dem Autosalon von Amsterdam präsentiert. Die Autoschau in Holland war allerdings eine übersichtliche Sache. Gerade einmal 45 Personenwagen aus Amerika, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Schweden und der Tschechoslowakei konnten präsentiert werden, 18 davon stammten aus Grossbritannien. Dazu kamen noch einige Lastwagen und ein Sportwagen.

Die Berichterstattung von John Rozendaal in der Zeitschrift „Das Auto“ erwähnte den Land Rover nicht. Vermutlich interessierte ihn dieser rustikale Geländewagen, der wohl doch etwas an den Jeep und den Krieg erinnerte, einfach nicht.

Offenbar war das Interesse am neuen Erzeugnis aber doch beträchtlich, denn viele Exportmärkte, insbesondere jene mit schlechten Strassen, meldeten einen Bedarf an. Der Land Rover hatte ins Schwarze getroffen.

Die Serienproduktion konnte im Juli 1948 beginnen, und schon Ende Jahr stellte man ein luxuriöseres „Station-Wagon“-Modell mit sieben Sitzplätzen vor. Bereits ein Jahr darauf ging der erste Regierungsauftrag für den Land Rover ein, und per 1950 waren bereits 24’000 Einheiten produziert worden. Der Export spülte fünf Millionen britische Pfand in die klammen Kassen. Am Land Rover kam man nicht mehr vorbei.

 

Radstand als Typenbezeichnung

Bereits 1950 wurde der permanente Allradantrieb durch ein System ersetzt, bei dem im höheren Geschwindigkeitsbereich zwischen Zwei- und Vierradantrieb gewählt werden konnte, während im stark untersetzten Betrieb immer mit permanentem Antrieb für beide Achsen gefahren wurde. 1952 wurde der Hubraum auf zwei Liter angehoben, parallel mit dem Vierzylinder im Rover P4.

1953 schliesslich wuchs der Radstand auf 86 Zoll, eine Langversion mit 107 Zoll Radstand wurde ebenfalls eingeführt. Ab sofort gehörte der Radstand in Zoll zur Typenbezeichnung, man sprach vom Land Rover 86 oder vom Land Rover 107. 1958 dann wuchs der Radstand weiter auf 88 und 109 Zoll. Auch ein Dieselmotor wurde als Zweiliter ins Bauprogramm aufgenommen.

Der Tempo-Land-Rover

Für den Export arbeitete Rover mit lokalen Firmen zusammen. In Deutschland war dies das Tempo-Werk Vidal & Sohn. Die Zeitschrift auto motor und sport berichtete im Jahr 1955 darüber:

„Zu einem der erfolgreichsten Modelle wurde der englische Land-Rover, dessen Vertretung für die Bundesrepublik seit kurzem das Tempo-Werk Vidal & Sohn übernommen hat. Der Tempo „Land-Rover“ ist sowohl für militärische als auch für zivile, hier also gewerbliche oder landwirtschaftliche Zwecke lieferbar.

Der Motor dieses Fahrzeugs ist ein Vierzylinder-Zweiliter (Bohrung x Hub 78 x 105 mm), der 52 PS bei 4000 U/min leistet und über ein max. Drehmoment von 14 mkg bei 1500 U/min verfügt. Zum Vierganggetriebe mit synchronisiertem III. und IV. Gang kann ein Zusatzgetriebe geschaltet werden, so daß insgesamt 8 Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge vorhanden sind. Der Wagen kann wahlweise mit Hinterrad- oder mit Allradantrieb gefahren werden. Sein Fahrgestell besteht aus einem Kastenrahmen, Halbelliptik-Blattfedern und Teleskopstoßdämpfern, Reifengröße 6,00–16. Der Ganzstahlaufbau wird mit abnehmbarem Verdeck oder mit festem Leichtmetallaufsatz geliefert, die Inneneinrichtung – drei- bis siebensitzig – je nach dem Verwendungszweck ausgeführt.

Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/st, der Wendekreis 11,3 Meter, das Gewicht rund 1250 kg, die Nutzlast 2 Personen plus 450 kg, der Normverbrauch 11 Liter/100 km. Die Kraftstofförderung aus dem hintenliegenden 45-Liter-Tank (einschl. 10 Liter Reserve) erfolgt durch elektrische Pumpe. Sonstige Maße: Länge 3580 mm, Breite 1590 mm, Höhe mit Verdeck 1930 mm, Radstand 2180 mm, Bodenfreiheit 203 mm.“

Wie vor bald 70 Jahren

Überraschend viele der über 200’000 Serie-I-Land-Rover, die bis 1958 gebaut wurden, haben überlebt. Wer darin Platz nimmt, erlebt Nostalgie pur. Viel analoger kann ein Fahrerlebnis fast nicht sein.

Vorne gibt’s im Land Rover 86 der ersten Serie drei Sitze, hinten auf den Sitzbänken weitere vier. Das Stoffdach lässt sich in etwa fünf Minuten entfernen oder wieder aufknöpfen. Nur die Unterbringung des Blachendachs bereitet bei voller Besetzung etwas Kopfzerbrechen. Ein Sportwagen will der Land Rover nicht sein, aber die 52 PS reichen aus, um im Landstrassenverkehr mitzuhalten.

Seine eigentliche Domäne – das unwegsame Gelände – wird allerdings einem aufwendig restaurierten Land Rover, wie dem fotografierten Exemplar von 1955, kaum mehr zugemutet. Tatsächlich wurde der Geländewagen in der sehr seltenen, aber durchaus authentischen Navy-Blue-Lackierung von einem Enthusiasten so umfangreich instandgestellt, dass man von einer Concours-Restaurierung sprechen könnte. Sogar den Kabelbaum baute er originalgetreu nach. Viele der Originalbleche des einst von der Firma Sares in Lausanne an den Erstbesitzer in Treyvaux im Kanton Fribourg ausgelieferten Landy konnten gerettet werden.

Entsprechend geht man heute mit dem Schmuckstück, das seit dem Wiederaufbau nur gerade 500 Kilometer zurückgelegt hat, vorsichtig um. Doch auch die Fahrt auf befestigtem Gelände macht im Land Rover Spass. Man spürt die technische Reaktion auf jede Bewegung, hat einen guten Rundumblick und horcht den zufriedenen Äusserungen des Zweilitermotors.

Es fühlt sich an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Und das ist sie ja eigentlich auch bis ins Jahr 2016, als der letzte Nachkomme des Ur-Landys gebaut wurde. Und erst 2020 erschien ein deutlich modernerer Nachfolger, der vielen Ur-Land-Rover-Besitzern überhaupt nicht gefallen mag. Aber schliesslich gibt es ja noch einige frühe Exemplare.

 

Land Rover 86 Serie I – Form folgt Funktion

Gastautor: Bruno von Rotz
Bilder und Video: Michael Klauser

Vom Geländewagen zum Luxus-SUV

Mehr als 25 Jahre wurde die erste Range-Rover-Generation gebaut. Dabei hat sich der Range-Rover mächtig gewandelt. Kundenwünsche wirkten sich auf Design und Ausrüstung aus. Nach rund vier Jahren Entwicklungszeit wurde im Juni 1970 der Range Rover vorgestellt. Unter der eleganten Alu-Karosserie befanden sich wie beim Land Rover ein Leiterrahmen und zwei Starrachsen. Als Motor wählten die Rover-Ingenieure den Leichtmetall-V8, einst von Buick übernommen, der mit einem Vierganggetriebe gekoppelt wurde. Das Ergebnis waren 132 DIN-PS, die 1770 kg zu bewegen hatten. Besondere Details des dreitürigen Range Rovers waren die umklappbare Rückbank und die zweiteilige Heckklappe, bei der das Fenster nach oben, der Deckel nach unten aufklappte.

Konkurrenz für den Ur-Range-Rover

Die erste grosse Neuerung kam im Jahr 1980, als Monteverdi in Zusammenarbeit mit dem Hersteller eine viertürige Version anbot. Ab 1981 wurde diese dann leicht modifiziert im Werk gebaut. Ab 1982 gab es auch eine Automatikvariante, ab 1985 eine Einspritzung anstatt der Vergaser. Mehr und mehr wandelte sich der urige Geländewagen so zum Komfort-SUV, so gelangten Leder und Klimaanlage, elektrische Fensterheber und Zentralverriegelungen in die Ausstattungsliste. Dazu passte, dass mit dem „Vogue“ eine Luxusvariante präsentiert wurde. Der Hubraum des V8-Motors wuchs auf 3,9 Liter, einen Kat gab es ab 1987. 1992 erschien dann noch eine um 20,5cm verlängerte Variante, die mehr Platz und nun 4,2 Liter Hubraum bot. 1994 erschien der Nachfolger P38A, allerdings wurde der nun „Classic“ genannte Ur-Range-Rover noch bis 1996 weitergebaut. Etwa 330’000 Exemplare entstanden im Ganzen.

Elegante Schale für ein Arbeitstier

Von aussen wirkt ein früher Range Rover immer noch modern und durchaus elegant. Wenn man aber einsteigt, dann fällt die Verwandtschaft zum Geländewagen sofort auf: Gummibodenbeläge, grobschlächtiger Schalthebel, einfacher Instrumenten-Cluster und wenig Komfortattribute. Beim Fahren spürt und hört man die Mechanik, das Vierganggetriebe will mit Nachdruck geschaltet werden, die Karosserie wankt und die grosse Querschnittsfläche, kombiniert mit einer nicht im Windkanal entstandenen Aerodynamik, bremst den 3,5 Liter grossen V8-Motor ein. Aber ein Sportwagen will der Range Rover gar nicht sein. Trotzdem kommt man flott voran, das Fahren macht Spass, und an „Involvement“ fehlt es nicht.

Komfortattribute der 1990er-Jahre

Da ist der fast 20 Jahre später entstandene Range Rover SEi Vogue ein ganz anderes Kaliber. Er wirkt schon von aussen etwas edler dank Alurädern, versteckten Türscharnieren und elegantem Streifen auf der Flanke. Zudem bietet er vier Türen und im Innern viel Leder, weiche Teppiche und sogar Holzfurniere. Die Scheiben werden nun elektrisch gehoben, die Gänge automatisch gewechselt. Die vielen Komfortverbesserungen haben das Wagengewicht allerdings um rund 200 Kilogramm ansteigen lassen. Da ist man froh, dass auch der Motor mitgewachsen ist. Trotz der nun 182 PS will der moderne Range Rover nicht sportlicher wirken, er ist eher der geborene Cruiser. Aus hoher Warte beobachtet man das Treiben des Verkehrs. Spass machen sie beide, die frühe Variante ist ein Wagen für aktive Autofahrer mit der Liebe zum Besonderen, das spätere Modell etwas für komfortbezogene Naturen, die den Range Rover Classic auch gern im Alltag und überall einsetzen wollen.

Range Rover – der grosse Lord

Gastautor: Bruno von Rotz
Bilder und Video: Michael Klauser

Jaguar XJ 12 L – wenn es etwas mehr (Luxus) sein darf

Jaguar XJ 12 L Serie II (1973) – der Jaguar auf dem Markenemblem weist auf den Hersteller hin © Copyright / photographer: Bruno von Rotz

Rund vier Jahre Zeit nahmen sich die Jaguar-Ingenieure, um den Nachfolger von gleich zwei Baureihen, nämlich 240/340 und 420G, zu entwickeln. Das Pflichtenheft verlangte nach einer geräumigen, aber vor allem komfortablen Oberklassen-Limousine und mit 4,8 Metern Länge und fast 1,8 Metern Breite bei mindestens 1,6 Tonnen bot der als XJ 6 im Herbst 1968 präsentierte Wagen den erwarteten Luxus und Stil.

Technisch vertraute man auf Bewährtes und Zeitgemässes. Der 4,2-Liter-Reihen-Sechszylindermotor stammte von den Vorgängern und leistete rund 186 PS, die Kraftübertragung erfolgte per Handschaltgetriebe oder Borg-Warner-Automatik, die Räder waren rundum einzeln aufgehängt und natürlich mit Scheibenbremsen ausgerüstet.

Gesteigerter Luxus dank 12 Zylindern

1972 dann war der von vielen erwartete Zwölfzylinder auch im XJ erhältlich, der damit zum XJ 12 oder Daimler Double Six mutierte. 253 DIN-PS betrug die Leistung des 5,3-Liters, der mit vier Horizontalvergasern des Typs Zenith 175 DD 2 SE mit viel Benzin versorgt wurde. 25,6 Liter Superbenzin pro 100 km ermittelten die Tester der Automobil Revue und bei 200 km/h genehmigte sich die Reiselimousine gar 36,3 Liter pro 100 km. Da erschien einem dann der 109 Liter grosse Benzintank gar nicht mehr so üppig.

Im Gegenzug erhielt man Sportwagen-Temperament, der Spurt auf 100 km/h wurde trotz Wandler-Automatikgetriebe in acht Sekunden absolviert und als Spitze konnten echte 227,5 km/h gemessen werden. Dabei überzeugte der Motor, der bereits Mitte der Sechzigerjahre im Mittelmotor-Prototyp XJ-13 erprobt worden war, mit enormer Laufruhe.

Im Bummeltempo und auch im Leerlauf ist man anfänglich versucht, durch kurzes Antippen des Gaspedals über den Tourenzähler herauszufinden, ob der Motor auch dreht, denn hören kann man ihn dabei nicht. Er reagiert auf geringste Gaspedaländerungen und dreht nahtlos bis über den auf 6’500 U/min rot gekennzeichneten Drehzahlbereich”, notierten die AR-Testfahrer in ihren Aufzeichnungen.

Die frühen Siebzigerjahre waren allerdings wegen der Erdölkrise nicht das beste Umfeld für einen trinkfesten Zwölfzylinder, so dass von der Serie 1 nur gerade etwa 5% mit dem V12-Motor verkauft wurden, obwohl der Aufschlag gegenüber der kleineren Variante mit 4’702.31 Pfund gegenüber 4’154.15 Pfund (jeweils für die Lang-Version) moderat ausfiel.

Modernisierte Serie II

Fünf Jahre nach der Erstpräsentation stellten die Jaguar-Verkäufer an der IAA in Frankfurt die modellgepflegte XJ-Serie vor. Die Stossfänger waren nach oben geklettert, um den amerikanischen Normen zu genügen. Gleichzeitig hatte man das Armaturenbrett-Layout angepasst und dem Wagen eine modernere Belüftungs-/Klimaanlage verpasst.

Weiterhin waren die Sechs- und Zwölfzylindermotoren erhältlich, der viertürigen Variante wurde ein zusätzliches zweitüriges Coupé gegenübergestellt, das rund 10% teurer war und auch im Rennsport eingesetzt wurde.

Dem Zwölfzylinder war in der Serie II eine deutliche Absatzsteigerung vergönnt, was nicht zuletzt der Einspritzanlage zu verdanken war, die neben einer Leistungssteigerung auch eine gewisse Zähmung des Durstes bewirkte. Von 97’227 XJ-Modellen der zweiten Serie waren 14’226 mit Zwölfzylindermotoren ausgerüstet.

Italienische Designhilfe zur Serie III

Pininfarina hatte bereits 1973 mit dem Jaguar XJ 12 PF seine eigene Interpretation einer eleganten Jaguar-Limousine geliefert, allerdings sah dieses Modell eher nach Pininfarina als nach Jaguar aus. Nichtsdestotrotz wandte man sich an die italienischen Designer, als es um eine weitere Auffrischung der XJ-Baureihe ging.

Pininfarina hielt sich (vornehm) zurück, passte nur Stossfänger, Heckleuchten und den Dachbereich an, sodass kaum etwas von der klassischen Linie verloren gegangen war, als die Serie III 1979 zum ersten Mal gezeigt wurde.

Im Innenraum gab es ein neues Lenkrad, verbesserte Sitze mit Kreuzstütze, mehr Kopfraum hinten. Der 4,2-Liter-Motor erhielt nun, wie die US-Ausführung, eine Einspritzung und einen Leistungszuschlag. 
„Insgesamt erfüllt die dritte XJ-Generation die heutigen Anforderungen in der obersten Wagenklasse voll und ganz”, schrieb die Automobil Revue anlässlich der Vorstellung im März 1979. Und tatsächlich erfreute sich diese Serie-III-Version eines besonders langen Lebens. Bis 1992 nämlich wurden 132’952 dieser Limousinen (inklusive Daimler-Varianten) gebaut, davon hatten 10’500 eine Zwölfzylindermaschine.

Zu diesem Erfolg trug aber auch der Schweizer Michael May bei.

Effizienz aus der Schweiz

Elegante Erscheinung

Kein Kostverächter

Im Jahr 1981 wurde der Zwölfzylinder, der nunmehr zu den raren Gattungen gehörte, denn in den Achtzigerjahren bauten nur noch gerade Ferrari und Lamborghini derart aufwendige Motoren, nochmals überarbeitet. Mithilfe des Schweizer Ingenieurs Michael May erhielt der Motor einen neuen Zylinderkopf und leistete nun 295 DIN-PS und durfte sich dank deutlichen Verbrauchsvorteilen “H.E.” für „High Efficiency„ nennen.

Mit vielen weiteren Verbesserungen und Verfeinerungen wurde der Jaguar, respektive sein Schwestermodell Daimler Double Six, bis ins Jahr 1992 weitergebaut, über 300’000 XJ waren es in der Endabrechnung.

Die Form des Jaguar XJ 12 überzeugt auch heute, über 45 Jahre nach der ersten Vorstellung, mit Eleganz, ohne aufdringlich zu erscheinen. Speziell die Modelle der Serie II wirken vergleichsweise modern und zeitgemäss.

Im Innern wird man von Leder und Holz begrüsst, schätzt die Club-Atmosphäre und die Bewegungsfreiheit. Gerade die Lang-Version bietet auch hinten viel Platz, trotzdem setzt man sich lieber auf den Fahrersitz und umfasst das dünne Lenkrad mit leichter Hand.

Der Motor startet sofort auf Schlüsseldreh und summt mit sanftem Bariton im Leerlauf. Kaum ist die Automatik auf Vortrieb geschaltet, setzt sich die Limousine in Bewegung. Ohne jegliche Anstrengung lässt sich der Wagen lenken und führen. Ein kurzes Antippen des Gaspedals bewirkt ein sofortiges Beschleunigen und man versteht, dass die Testfahrer damals von sportwagenmässigem Temperament sprachen. Immerhin beschleunigt die Katze doppelt so schnell auf 100 km/h wie ein damaliger Opel oder Ford.

Natürlich fährt man heutzutage einen solchen Wagen nicht mehr so verbrauchsintensiv wie vor 40 Jahren, trotzdem werden die Benzinkosten zu einem deutlich sichtbaren Ausgabenposten.
Aber auch in der Wartung fordern die zwölf Kerzen, 24 Ventile und 9,1 Liter Ölinhalt ihren Tribut. Wer sich einen Jaguar XJ 12 zulegt, sollte wissen, dass Wartung und Unterhalt nicht günstig sind. Gepflegt und gut behandelt aber ermöglicht die Zwölfzylinder-Jaguar-Limousine eine überaus stilvolle und komfortable Fortbewegung, wie sie sonst nur wenige andere Fahrzeuge bieten können.

Bentley Continental R – das neue Selbstbewusstsein einer legendären Marke

2019 konnte die Marke Bentley auf eine hundertjährige Geschichte zurückschauen und diese Geschichte weist auf mehrere Le-Mans-Siege und viele legendäre Modelle auf. Bereits 1931 wurde der Hersteller der berühmten Blower Bentley von Rolls-Royce übernommen und in seiner Eigenständigkeit beschnitten. Zu Beginn der Achtzigerjahre wiesen nur noch gerade fünf Prozent aller Autos, die bei Rolls-Royce/Bentley produziert wurden, ein Bentley-Markenzeichen auf, die Marke geriet fast in Vergessenheit.

Der legendäre Vorfahre

Vom Versuch zur Weltpremiere

Viel Applaus

Während die meisten Bentleys, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, weitgehend parallel hergestellten Rolls-Royce-Modellen entsprachen, gab es trotzdem einige wichtige Ausnahmen. So konnten Karosseriebauer in den Vierziger- und Fünfzigerjahren ihre eigenen Kreationen auf die Bentley-Fahrgestelle montieren und die Kunden schätzten die Individualität dieser Pininfarina-, Franay-, Graber- oder Hooper-Einzelstücke denn auch. Dies erkannte auch das Werk und es bot ab 1952 den Bentley R-Type Continental mit Mulliner-Coupé-Karosserie ab Werk an. Dieser elegante Fastback-Granturismo wurden von 1952 bis 1955 208 mal gebaut. 150 PS leistete der Motor, der das fast 1,8 Tonnen schwere Coupé auf über 180 km/h beschleunigen konnte und mit dem Benzin trotzdem vergleichweise sparsam umging (rund 14 Liter pro 100 km). Der Preis war allerdings hoch, die geforderten CHF 75’000 oder £ 7600 reichten auch für eine elegante Villa mit Seeanstoss damals.

Am Genfer Autosalon im März 1985 stand auf dem Bentley-Stand das “Project 90”, ein von John Heffernan und Ken Greenley entworfene Studie mit 534 cm Länge und 190 cm Breite. Optisch überzeugte dieses Konzeptfahrzeug die Beobachter zwar nicht so ganz, aber sie weckte auf jeden Fall die Lust auf ein eigenständiges Bentley-Modell.

Sechs Jahre später stand dann der Prototyp des Bentley Continental R zur Überraschung aller auf dem Genfer Autosalon. Man hatte die Premiere eigentlich erst für 1992 erwartet, doch Absatzprobleme (vor allem in den USA) hatten die Firma gezwungen, die Lancierung vorzuziehen.  Am selben Genfer Autosalon 1991 wurde übrigens auch die Mercedes-Benz S-Klasse (W140) vorgestellt, doch stand diese Premiere ein wenig im Schatten des unerwarteten neuen Bentleys.

Der neue Entwurf von John Heffernan und Ken Greenley, die übrigens auch den Aston Martin Virage gezeichnet hatten, überzeugte die Kritiker. Trotz monumentaler Dimensionen (Länge 534,2 cm, Breite 187 cm, Höhe 146.2 cm) wirkte der Wagen elegant und deutlich weniger ausladend, als es die Abmessungen erahnen liessen.

Sogar der cW-Wert liess sich sehen, denn mit 0,385 war er auf der Höhe seiner Zeit. Auf den erwarteten Vierventil-Bentley-Motor musste der “Continental R”, der mit seinem Namen klare Linien zurück zum Fünfzigerjahre-Contintential zog, allerdings noch verzichten.

Viel Gewicht

Sportwagen mit Luxusgenen

Nach der Präsentation verging noch rund ein Jahr, bis die ersten Continental R ausgeliefert werden konnten. An den Spezifikationen hatte sich kaum noch etwas verändert. Um dem immerhin rund 2,4 Tonnen schweren Coupé zu konkurrenzfähigen Fahrleistungen zu verhelfen, hatte man die Leistung des Turbo-R-Motors um 10 Prozent gesteigert. Rund 320 PS sorgten für kraftvollen Vortrieb, das Werk versprach eine Beschleunigungszeit von 6,6 Sekunden für den Spurt von 0 bis 60 Meilen pro Stunde (96 km/h).

Mit einem Preis von DM 462’387 oder CHF 376’850 richtete sich das Coupé ganz klar an Superreiche, die dafür ein stilgerecht ausgestattetes Cockpit und bewährte Bentley-Technik erhielten. Erstmals wurden die Gänge der Viergang-Automatik (von GM) über einen Hebel auf der Mittelkonsole gewechselt und auch an elektrischen Helferlein war der Bentley nicht arm.

Das Fahrwerk wies vorne Einzelradaufhängungen mit Doppelquerlenkern und hinten einzeln aufgehängte Räder an Schräglenkern mit hydropneumatischen Feder-Dämpferbeinen auf. Elektronisch gesteuert sollte das Coupé so den Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort schaffen.

Die Geschichte des 6,75 Liter grossen Leichtmetall-V8-Motors mit zentraler Nockenwelle reichten bis in die Sechzigerjahre zurück, mit Garrett-Turbolader und Bosch-KE-Motronic-Einspritzung könnte man allerdings problemlos zeitgemässe Leistungsfähigkeit mit der geforderten Umweltfreundlichkeit verknüpfen.

Natürlich liessen es sich die Automobil-Zeitschriften nicht nehmen, das schnelle Bentley-Coupé zu testen. Ganz so schnell wie versprochen zeigte sich der Wagen allerdings nicht. Im Juni 1992 stoppten die Automobil Revue 8,3 Sekunden für den Sport von 0 bis 100 km/h, als Höchstgeschwindigkeit wurden “über 240 km/h” dokumentiert. Der Verbrauch pendelte sich nach den Test- und Messfahrten bei 16,8 Litern pro 100 km ein, nicht schlecht für ein vollgeladen 2,8 Tonnen schweres Coupé.

Als “Tourer für die grosse Reise” charakterisierten die AR-Tester den Wagen, kritisierten dabei allerdings eine Verhärtung der Federung auf deutschen Autobahnen. Generell schien der Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort nicht ganz geglückt zu sein, man hätte gerne selber in die Elektronik eingegriffen.

An den Platzverhältnissen gab es dafür wenig zu bemängeln und die Ausgestaltung der Inneneinrichtung überzeugte sowieso. So lautete denn auch das AR-Fazit:
“Mit dem neuen Continental R gewinnt die Marke Bentley einen schönen Teil der gewünschten Eigenständigkeit zurück, auf den sie in den vergangenen drei Jahrzehnten hatte verzichten müssen. Das neue Luxus-Coupe markiert demzufolge einen Neubeginn, der nicht nur viel verspricht, sondern für später noch mehr erwarten!”

Auch Wolfgang König von AMS setzte sich in das Bentley-Coupé, das sogar die Limousine in der Länge noch etwas überragte. Auch er kritisierte den Fahrkomfort, wenn sich die Federung auf sportlich einstellte. Insgesamt zog aber auch er ein positives Fazit:
“Im Normalfall zeigt sich der Bentley schon straff genug, wenn auch noch ausreichend komfortabel, und überrascht, wie schon die Limousine, mit unvermuteter Handlichkeit. Bleibt noch die Kardinalfrage. Kann ein solches Auto überhaupt 460’000 Mark wert sein? Für Continental-Fahrer – mehr als 500 haben ihre Bestellung angeblich bereits abgegeben – kein Problem: Die Frage stellt sich nicht.”

 

Einige Jahre später, nämlich im Jahr 1996, stellte die “Motor Revue” den Continental R dem nicht einmal halb so teuren Mercedes-Benz 600 SEC gegenüber, welcher zwar auch viel Holz und Leder bemühte, um stilvoll zu sein, es trotzdem aber gegen den Bentley schwer hatte. Natürlich war der Mercedes-Benz das technisch modernere Auto, trotzdem konnte er dem Bentley in mancher Hinsicht nicht das Wasser reichen, zumal sein Styling nicht auf grosse Gegenliebe stiess.

 

“Das Tüpfelchen auf dem i ist der Blick über die Motorhaube. Beim Mercedes sieht man das gleiche wie bei allen Autos: fast nichts. Der Bentley dagegen trägt eine spitz zulaufende Haube wie in alten Zeiten, unendlich lang, ein Symbol der Kraft, die darunter schlummert,” erklärte Götz Leyrer in seinem Vergleichstest und resümierte:
“Bentley-Fahren ist eine Sache der Überzeugung. Man muß großzügig sein gegenüber gewissen Schwächen, kann nicht die absolute Perfektion erwarten und darf  sich auch darüber ärgern, dass ihm sogar eines dieser hässlichen Lenkräder verpasst wurde, in deren Nabe sich ein Airbag verbirgt. Wer das perfekte Auto will, kauft bei Mercedes. Und er lässt die aufdringlichen Schriftzüge weg. Das ist dann schon ein erster Schritt auf einem Weg, der möglicherweise beim Bentley endet.”

Es ging noch schneller

Erfolgreiche Rarität

“Gentleman Gleiter”

1996 lancierte Bentley den Continental T mit etwas gekürztem Radstand und auf 400 PS gesteigerter Leistung. Später wurden sogar 426 PS daraus Mit DM 500’000 oder CHF 421’200 war der Continental T nochmals teurer geworden, aber er schaffte nun auch den Spurt von 0 bis 100 km/h in 6,6 Sekunden, ohne die Benzinrechnung wesentlich stärker zu belasten als der “R”.

1854 Bentley Continental R, S und T wurden von 1991 bis 2003 gebaut, das Gros ging auf die R-Variante, von der es auch mehrere Sondermodelle gab, während der Continental T nur 350 mal gebaut wurde. Dazu kamen noch 79 Continental SC-Modelle, eine Sedanca-Variante des Coupés.

Der Bentley Continental R ist längst ein Klassiker, auch wenn noch keiner davon über das Youngtimer-Alter herauskam. Wer sich in das mit viel angenehmem Leder und schön verarbeitetem Holz (aus Kalifornien) setzt, fühlt sich sofort wohl und hat keine Mühe, dem Alltag zu entfliehen. Gestartet wird der Motor mit Zündschlüssel links vom Lenkrad, der Wahlhebel der Vierstufenautomatik will angehoben werden, damit man eine Fahrstufe vorwählen kann.

Der Bentley Continental R ist ein Gleiter erster Güte, kaum jemand käme auf die Idee, damit um Kurven räubern zu wollen. So gesehen erübrigt sich auch die S-Stufe auf dem Automatikwahlhebel, diese produziert nur mehr Hektik. Solange man es locker angehen lässt, bleibt auch die Federung komfortabel. Die Rundumsicht ist hervorragend und lässt den Wagen kompakter erscheinen, als er es ist. Dazu trägt auch die stark unterstützende Servolenkung bei.

Bentley Continental R Coupé 1993 – der Atemberaubende

Gastautor: Bruno von Rotz
Bilder und Video: Michael Klauser

Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans – Donnern für den Gentleman

Wer Ende des letzten Jahrhunderts Supersportwagen im Wert einer halben Million verkaufen wollte, der musste schon etwas bieten. Aston Martin erinnerte sich des Le-Mans-Erfolgs von 1959 und bot den Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans als umfangreich verfeinertes und limitiertes Sondermodell an.

Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans (2000) – 474,5 cm lang

Das Ende einer langen Tradition

Aston Martins Spuren gehen bis ins Jahr 1913 zurück, ab 1947 wurde die Firma von David Brown gelenkt, 1959 erzielten Carroll Shelby und Roy Salvadori, gefolgt von Maurice Trintignant und Paul Frère einen Doppelsieg in Le Mans, mit 25 Runden Vorsprung auf den besten Ferrari.

1967 löste der von William Towns gezeichnete Aston Martin DBS den DB6 ab, ab 1969 sorgte ein neuer von Tadek Marek konzipierter Leichtmetall-V8-Motor für Vortrieb.

Aston Martin DBS (1967) – mit Sechszylindermotor (© Archiv Automobil Revue)

Vom V8 zum Virage und zum Vantage

Aston Martin Virage (1990) – dynamische Probefahrt in Silverstone (©Fotograf: Daniel Reinhard, 1990)

Bis 1988 wurde der V8 (teilweise auch als Vantage-Ausführung) gebaut, dann erfolgte die Ablösung durch den “Virage”. Dieser wies ein deutlich kantigeres Design auf, unter dem Blech aber fand sich weitgehend die verbesserte Technik des Vorgängers. Sogar die De-Dion-Hinterachse überlebte den Modellwechsel und wurde entsprechend noch ein weiteres Jahrzehnt verbaut.

Zum Virage gesellte sich 1992 der Vantage, der sich sowohl optisch als auch technisch vom Bruder unterschied. Front und Heck hatten ein deutliches Restyling erfahren, der V8-5,3-Liter-Motor erhielt zwei Eaton-Kompressoren und leistete nun 558 PS.

Keine halbe Portion 

Satte 2015 kg wog ein Aston Martin Vantage, als er 1997 von Auto Motor und Sport getestet wurde. Doch die 745 Nm (bei 4000 Umdrehungen) und 557 PS (bei 6500 Umdrehungen) sorgten trotzdem für standesgemässen Vortrieb. 5,2 Sekunden reichten für den Sprint von 0 auf 100 km/h, als Spitze wurden 281 km/h gemessen. Mit 19,1 Liter Super Testverbrauch auf 100 km war der Aston nicht gerade mustergültig sparsam, aber auch kein grenzenloser Säufer.

Kein Vergleichstestsieger

Gegen die Konkurrenz aus Detroit oder Maranello hatte der Aston aber trotz leistungsmässigen Vorteilen kaum einen Stich, wenn objektive Kriterien herangezogen wurden. Ein Ferrari F550 Maranello beschleunigte besser, war in der Spitze 36 km/h schneller und wedelte 20 km/h schneller durch die Slalom-Pylonen. Im Vergleichstest gegen Chevrolet Corvette, Dodge Viper und Ferrari F550 landete der Aston daher auf dem letzten Platz, nur gerade im Karosseriekapitel konnte er mit dem Ferrari gleichziehen.

Aber solche Vergleichsergebnisse liessen wohl die typischen Käufer eines Vantage kalt, denn weder Tom Cruise noch Prince Charles hätten wohl eine Corvette dem klassisch eleganten Aston Martin vorgezogen. Dessen Interieur, für das mindestens 11 skandinavische Rinder ihre Haut lassen mussten, strotzte nur so von britisch-klassischem Stil. Alles war von Hand angefertigt, von Meistern ihres Fachs und nicht in Stunden sondern in Wochen. Da trübten selbst Grossserienteile von Ford oder GM nicht über den gediegenen Eindruck hinweg. Wer es sich leisten konnte, der fuhr als Gentleman einen Aston und keine Corvette.

An fehlender Leistung lag es zwar kaum, dass sich ein Aston Martin Vantage gegen einen Ferrari 550 Maranello nicht durchsetzen konnte, trotzdem rüsteten die Jungs aus Newport/Pagnell nach.

V550 und V600

Ab 1998 konnten Aston-Martin-Kunden ihren Vantage zurück ins Werk bringen und die V600-Leistungskur ordern. Für rund £ 20’000 stieg dann die PS-Zahl auf 608 beim 6200 U/min, während das Drehmoment nun satte 813 Nm betrug.

Die Zukunft ruft

Derweil allerdings drehte sich die Welt weiter. Neue Emissions- und Crash-Vorschriften läuteten das Ende des Virage, inzwischen einfach V8 genannt, und des Vantage ein. Der DB7 feierte seit Mitte der Neunzigerjahre Erfolge eine Klasse tiefer, der Vanquish wartete bereits am Horizont.
Doch die Aston-Martin-Macher wussten um ihre Fans und und wollte als Abschluss der Tadek-Marek-V8-Baureihe nochmals einen Höhepunkt präsentieren.

Und so stand auf dem Genfer Autosalon im März 1999 der Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans als limitiertes Sondermodell.
Exakt 40 Stück wollte man bauen, denn 40 Jahre war es her, dass der DBR1 in Le Mans 1959 gesiegt hatte.

Noch brachialer

Man beliess es nicht mit ein paar Aufklebern, sondern man verpasste dem Sondermodell einen eigenständigen Kühlergrill, der nun zwei aggressive Öffnungen zur Belüftung der Eaton-Kompressoren enthielt. Der Frontspoiler wurde genauso angepasst wie die Endrohre der Auspuffanlage.

Innen gab es ein an den DBR1 erinnerndes Cockpit mit grossem Drehzahlmesser und kleinem Tacho. Alles Holz war verschwunden, anstelle dafür setzte man auf ein Titan-Finish. Der Kunde, der bereit war, über CHF 500’000 (ab £ 225’000) für diesen Wagen anzulegen, konnte die V600-Option wählen. Die meisten dürften dies gemacht haben. Der Käufer, dessen Name zusammen mit der Fahrzeugnummer auf einer Plakette im Wagen eingedruckt wurde, erhielt zudem eine verstärkte Bremsanlage mit 4-Kanal-ABS und ein strafferes Fahrwerks-Setup. Die 285/45 ZR 18 Reifen wurden auf Magnesiumfelgen mit Hohlspeichen aufgezogen. Und auch Parkpiepser gehörten zum Lieferumfang.

Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans (2000) – benötigt viel Platz und Auslauf (©Fotograf: Bruno von Rotz, 2020)

Für den schnellen Gentleman

Dermassen gerüstet war der Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans gemäss Werk rund 320 km/h schnell und sprintete in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Nur die wenigsten Besitzer dürften diese Fahrleistungen ausgekostet haben. Die Autos waren von Anfang an Sammlerfahrzeuge und dürften die meiste Zeit in geheizten und feuchtigkeitsgeregelten Garagen verbracht haben. Und wenn ein Wagen dann trotzdem mal auf offener Strasse auftauchte, dann fiel er wohl mehr wegen seines eindrücklichen Auspuffgrollens auf als wegen seines Äusseren, zumal die meisten Exemplare in einem unauffälligen Grün-, Grau- oder Schwarzton (13 Farbschichten) lackiert wurden.

Wer sich hinter das Lenkrad (aus dem Lincoln Continental) eines dieser raren Autos setzen durfte, der konnte sich über das üppige Drehmoment und Vortrieb ohne Ende freuen, aber auch über ein relativ störrisches Sechsganggetriebe und eine knochenharte Kupplung ärgern. Für Stop und Go oder Tempo-30-km/h-Zonen war der Aston nicht gebaut, für enge Passstrasse wegen seiner Breite von 194 cm auch nicht. Am wohlsten fühlt sich der 475 cm lange Zweitonner auf breiten und leicht geschwungenen Überlandstrassen oder auch einmal auf einer Autobahn. Ob man dann im 3. oder 6. Gang fährt, das macht höchstens bezüglich der Tonlage einen Unterschied, genug Kraft ist immer vorhanden.

A propos Tonlage: Selbst ein Ferrari F550 wirkt im Vergleich leise, aber die Soundkulisse wirkt trotzdem nicht störend, sondern eher stimmig. Und für Sonntagsfahrverbote dürfte diese Ausdrucksstärke auch nicht sorgen, die Wahrscheinlichkeit, dass man je einen Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans vorbeifahren sieht, ist ausserordentlich gering.

Gastautor: Bruno von Rotz, Zwischengas
Video: Michael Klauser